Präsident Dr. Roell: „Leichte Trendwende heißt noch lange nicht Aufhellung – jetzt schnelle Unternehmensentlastungen und Abbau von Hemmnissen im Bund umsetzen,damit Betriebe wieder stärker am Standort investieren.“
Die baden-württembergische Wirtschaft zeigt zwar leichte Anzeichen der Lage-Stabilisierung,doch von einer echten Erholung kann keine Rede sein. Wie die aktuelle Konjunkturumfrage der zwölf Industrie- und Handelskammern (IHKs) im Land ergibt,haben sich die Geschäftserwartungen der Unternehmen gegenüber Jahresbeginn geringfügig verbessert – die wirtschaftliche Lage bleibt aber angespannt,insbesondere mit Blick auf die Investitionspläne.
Laut Konjunkturumfrage,an der sich zwischen 22. April und 13. Mai landesweit 3.676 Betriebe aller Größen und Branchen beteiligt haben,erwarten rund 18 Prozent der Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten bessere Geschäfte – ein Anstieg um zwei Prozentpunkte im Vergleich zum Jahresbeginn. Gleichzeitig sinkt der Anteil der Pessimisten: Zwar erwarten noch 24 Prozent eine Verschlechterung,dies sind aber fünf Prozentpunkte weniger als zuletzt. Trotz dieser vorsichtigen Zuversicht bleibt die aktuelle Geschäftslage angespannt. Lediglich 26 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Lage derzeit als gut – ein Rückgang um zwei Prozentpunkte. Unverändert 22 Prozent der Betriebe schätzen ihre Lage hingegen als schlecht ein.
„Die wirtschaftliche Beurteilung verbessert sich leicht – von Aufbruchsstimmung kann aber keine Rede sein“,erklärt Dr. Jan Stefan Roell,Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK), und ergänzt: „Die Ergebnisse zeigen deutlich,dass jetzt entschlossenes Handeln der Politik notwendig ist. Die Bundesregierung hat Entlastungen angekündigt,jetzt muss sie ihren Worten auch Taten folgen lassen. Die Unternehmen brauchen spürbare Verbesserungen wie Planungssicherheit bei Energie- und Standortkosten oder entschlossenen Abbau von bürokratischer Regulierung,um Innovations- und Investitionsbremsen zu lösen. Genauso wie verlässliche Rahmenbedingungen für Digitalisierung und Transformation. Es ist ein umfassender Maßnahmenkatalog umzusetzen,der konkrete Entlastungen schafft und das Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft stärkt,damit es zur Trendwende kommt. Zentrale Ansätze an Sofortmaßnahmen hat die IHK-Organisation beispiels-weise im DIHK-12-Punkte-Plan gebündelt und vorgestellt – jetzt ist der Bund am Zug.“
Unsicherheit hemmt Investitionsfreude
Die Ergebnisse der Befragung zeigen: Nur 22 Prozent der Betriebe,die überhaupt investieren,planen,ihre Investitionen in den kommenden zwölf Monaten zu erhöhen – ein nahezu unveränderter Wert im Vergleich zu Herbst 2024. Knapp ein Drittel möchte die Investitionen sogar senken. Hauptgründe für die Zurückhaltung sind laut befragter Unternehmen eine zu hohe bürokratische Belastung,unzuverlässige Rahmenbedingungen und im internationalen Vergleich hohe Standortkosten,insbesondere bei Arbeit und Energie. „Ein Investitionsprogramm allein reicht nicht aus,um die Wirtschaft nachhaltig in Schwung zu bringen. Ganz entscheidend sind verlässliche und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen. Unternehmen investieren nur dort,wo sich langfristig stabile Perspektiven abzeichnen – das heißt: weniger Regulierung,schnellere Genehmigungsverfahren,bezahlbare Energie und ein auch politisch klares Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland.“
Geschäftsrisiken: Schwache Inlandsnachfrage bleibt größtes Risiko
Während klassische Risiken wie schwache Inlandsnachfrage und Fachkräftemangel bestehen bleiben,rücken geopolitische Spannungen verstärkt in den Fokus der Unternehmen. Mit rund 64 Prozent nennen Betriebe die schwache Inlandsnachfrage am häufigsten als aktuelles Geschäftsrisiko. Besonders in der Industrie sind die Auftragseingänge rückläufig,während der Einzelhandel das Kaufverhalten der Konsumenten weiterhin als zurückhaltend bewertet. Zwei Drittel der Händler teilen diese Einschätzung.
Steigende Arbeitskosten durch Inflation und Fachkräftemangel
Die steigenden Arbeitskosten bereiten ebenfalls große Sorgen: 55 Prozent der Unternehmen in Baden-Württemberg empfinden sie als Risiko. Das anhaltende Fehlen von Fachkräften,insbesondere in Bau und Verkehr,verschärft diese Entwicklung weiter.
Geopolitische Spannungen auf dem Vormarsch
Deutlich stärker als zu Jahresbeginn nehmen Unternehmen geopolitische Risiken wahr. Rund 42 Prozent sehen in internationalen Konflikten – insbesondere dem Krieg in der Ukraine und den Handelsstreitigkeiten mit den USA – ein akutes Geschäftsrisiko. Dies entspricht einem Anstieg um elf Prozentpunkte gegenüber der letzten Erhebung.
Energiekosten nicht mehr im Fokus – außer im Gastgewerbe
Der Anteil von Unternehmen,die hohe Energiekosten als Risiko bewerten,ist auf 41 Prozent gesunken. Eine Ausnahme bildet das Gastgewerbe: Hier bleibt das Thema dominant – drei von vier Betrieben sehen weiterhin erhebliche Belastungen.
Branchen im Stresstest – Bau,Handel und Gastgewerbe besonders betroffen
Die gesamtwirtschaftliche Schwäche schlägt sich in vielen Schlüsselbranchen Baden-Württembergs nieder – insbesondere im Baugewerbe,Handel und Gastgewerbe. Der Bausektor kommt angesichts hoher Bau- und Finanzierungskosten nicht wieder in Fahrt. Der Auftragseingang bleibt in fast allen Bereichen rückläufig – besonders der private Wohnbau und der gewerbliche Hochbau verzeichnen eine klare Abwärtstendenz. Nur noch 24 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage als gut,vier Prozentpunkte weniger als zu Jahresbeginn. Die Erwartungen bleiben ebenfalls verhalten: Nur 14 Prozent rechnen mit einer Besserung in den kommenden zwölf Monaten.
Auch im Handel spitzt sich die Lage zu. Die Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte trifft insbesondere den Großhandel,der zusätzlich unter der schwachen industriellen Nachfrage leidet. 76 Prozent der Großhändler nennen die geringe Inlandsnachfrage als Geschäftsrisiko – ein im Branchenvergleich überdurchschnittlich hoher Wert. Die wirtschaftliche Lage wird von einem Drittel der Groß- und einem Viertel der Einzelhändler als schlecht bewertet.
Das Hotel- und Gastgewerbe steht weiterhin unter starkem Druck. Hohe Kosten für Energie,Lebensmittel und Personal,verschärft durch die Anhebung des Mindestlohns,lassen die Erträge schrumpfen. Da die Kundschaft preissensibel reagiert,ist eine Weitergabe der Kosten kaum möglich. Nur noch 19 Prozent der Betriebe berichten von einer guten Geschäftslage – ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu den 25 Prozent vom Jahresbeginn.
Das Verkehrs- und Transportgewerbe leidet unter der anhaltend schwachen Industriekonjunktur. Als Teil vieler Wertschöpfungsketten ist die Branche stark vom allgemeinen Wirtschaftstempo abhängig. Der LKW-Maut-Fahrleistungsindex – ein Frühindikator für wirtschaftliche Aktivitäten – zeigt seit Monaten nach unten. 26 Prozent der Unternehmen berichten von einer negativen Auftragstendenz.
Positivere Signale kommen aus Teilen des Dienstleistungssektors: Insbesondere Finanz- und Beratungsdienstleister melden derzeit eine gute wirtschaftliche Lage – ein kleiner,aber wichtiger Lichtblick im insgesamt schwierigen Umfeld.
Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) ist eine Vereinigung der zwölf baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern (IHKs). In Baden-Württemberg vertreten die zwölf IHKs die Interessen von mehr als 650.000 Mitgliedsunternehmen. Zweck des BWIHK ist es,in allen die baden-württembergische Wirtschaft und die Mitgliedskammern insgesamt betreffenden Belangen gemeinsame Auffassungen zu erzielen und diese gegenüber der Landes-,Bundes- und Europapolitik sowie der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und anderen Institutionen zu vertreten.
PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag